Montag, 14. Januar 2013

Die Geschichte des Henry Günther Ademola Dashtu Samuel

Gewohnheit, Zwang, Sucht – Stichworte, die uns unter ihrer Handlungsgewalt geradezu erdrücken. Da drängt sich schnell die Frage auf, wo denn die eigentliche Behandlung überhaupt beginnt.
Gehen wir einfach mal davon aus, dass der beispielhafte Mensch unseres Vertrauens – nennen wir ihn der Einfachheit halber Henry Günther Ademola Dashtu Samuel – eines Tages beschließt, seine Muskeln zu trainieren. Er sieht tagtäglich in Fernsehen und Internet all die gestählten Männer mit den wunderschönen Damen an ihren Seiten und sieht es nicht mehr ein, allein zu sein. Er will sein Ansehen steigern, sein Ego pushen und seinen unterdrückten Schrei nach Liebe in Muskeln umwandeln, um irgendwann irgendein weibliches Wesen zu finden, welches ihn so nimmt wie er ist, füttert, in den Arm nimmt, wenn er mal wieder an den Matheaufgaben seines imaginären siebenjährigen Sohnes verzweifelt. Wie gesagt, er beschließt, seinen Körper in Form zu bringen, um damit an seiner inneren und äußeren Erscheinung zu arbeiten. Da es nicht genügt, ein einziges Mal ins Fitnessstudio zu gehen, gewöhnt sich Henry Günther Ademola Dashtu Samuel an, dies jeden zweiten Tag zu tun – Montags, Mittwochs, Freitags und Sonntags. So hat der Körper jeden zweiten Tag Zeit, sich zu erholen, was dem Muskelaufbau zu Gute kommt. Am Anfang wachsen die Muskeln noch recht schnell, der beispielhafte Mensch unseres Vertrauens bemerkt aber sehr schnell, dass es eigentlich noch weiter hinaus gehen könnte. Er hatte sich ursprünglich bewusst zu einer 4 tägigen Trainingswoche entschieden, die aber schnell nicht mehr intensiv genug war. Er spürte einen Drang, sein Training zu intensivieren, seinen Körper noch stärker zu spüren. Und dachte dabei kaum mehr an sein eigentliches Ziel – die Damenwelt für sich zu gewinnen. So besuchte er bald täglich das Fitnessstudio und lernte dabei Sven kennen, dessen Muskeln kaum mehr Platz in seiner Haut zu finden schienen - Henry Günther Ademola Dashtu Samuel war schwer beeindruckt. Nach einigen Unterhaltungen stellte sich schnell heraus, dass Sven günstig Anabolika besorgen konnte, was sich unser Schützling natürlich nicht zweimal sagen ließ. Es kam schließlich, wie es nur allzu absehbar ist: Seine Muskeln schwellten ins Unermessliche, bis ihn seine eigene Mutter kaum mehr erkennen konnte. Sie besuchte ihn trotzdem im Gefängnis, nachdem er mit einem einzigen handkantigen Faustschlag versehentlich die vermeintliche Dame seines Herzens, die ihm ihr Herz jedoch verweigert hatte, getötet hatte.
Im Radio der Kneipe lief noch der Song mit den Textzeilen „Wo fing das an, was ist passiert – Was hat dich bloß so ruiniert?“ Doch der Herr unseres Vertrauens hörte dies sicher nicht oder war viel zu egozentrisch gebürstet um diese Zeilen auf sich zu beziehen. Doch von unserem Standpunkt aus betrachtet fing der Absturz womöglich mit der selbstgewählten Behandlung an. Sobald die Gewohnheit zur Routine wurde, als die Zwischenzeiten zwischen den Trainingseinheiten so schnell wie möglich vergehen sollten, vielleicht auch schon mit dem Entschluss, etwas tun zu müssen – vom inneren Trieb nach Zuneigung gesteuert – begann der steile Weg nach unten. Die Frage die sich zuspitzt und der Schluss der sich aufdrängt ist wie folgt: Werden wir von unseren Gewohnheiten behandelt? Entschließen wir uns bewusst, Routine in unser Leben zu bringen, um uns von bittersüßen Zwängen durch das Leben navigieren zu lassen? Es scheint alles daraufhinzudeuten.

Moment mal: Zeit zu handeln!

Der Mensch ist bekanntlich ein Gewohnheitstier und, wie der Volksmund so weise spricht: Man gewöhnt sich an fast alles. Sei es hochtragende Arbeitswut oder tiefgrabende Prokrastination – man suhlt sich wohlwollend in der Routine und wundert sich plötzlich, dass schon wieder ein Jahr vergangen ist. Je stärker sich Routine einschleicht, desto schneller scheint die Zeit davonzurasen. Leben an sich ist ja schon Routine – jeder hat Bedürfnisse, denen er routiniert nachgeht, bevor oder während er oder sie sich der alltäglichen Routine hingibt. Und je länger man lebt, umso schneller scheint die Zeit zu verstreichen. Gehen wir nun davon aus, dass es sich bei Routine um ein Patientensyndrom handelt, könnte man das äußerst subjektive Zeitempfinden direkt mit Routine kurzschließen. Zeit ist schließlich das wertvollste Gut, welches unser Leben begleitet.
Freizeit, Urlaub, Spaß und Spiel sind die stärksten Stützpfeiler einer hedonistischen Gesellschaft – und dafür braucht man eben Zeit. Hat man diese, gestaltet es sich als äußerst schwer, diese auch zu genießen, den Moment zu erwischen und das sagenumwobene Jetzt zu genießen, bevor es wieder zwischen gerade eben und gleich verschwindet. Das Gefühl, das sich daran koppelt, wird oft als Glück bezeichnet und bringt als solches Genugtuung und Zufriedenheit mit sich. In diesem Kausalzusammenhang betrachtet, erscheint es als naheliegend, den Moment, den man tatsächlich als solchen empfindet, als frei vom Behandelt werden zu bezeichnen. Und damit entpuppt sich die paradoxe Eigenschaft der Zeit: Sie behandelt uns immer mit ihrem kontinuierlichen Dasein und wir können uns nur von ihr lösen, wenn sie eben mal stillsteht und das, was sie definiert – eben ihre Kontinuität – für einen kurzen Moment nicht gegeben ist. Dann können wir innehalten, den Moment genießen, die Hand voll Glück, die sich im Stillstand der Zeit kurz offenbart, genießen – bis sie wieder zerfliesst. Wenn Mensch es also schafft, sich zu ent-routinieren, etwas außerhalb seiner Routine zu tun, was ihm ein Gefühl der Zufriedenheit schafft, hat er ihn gefunden – jenen unbehandelnden Moment der Stille.
Sicher, es darf nicht ausgeblendet werden, dass Zufriedenheit und das Gefühl, Sinnvolles zu tun, paradoxerweise oft erst in der Routine entsteht. Aber jene unvergesslichen Momente, die etwas Besonderes darstellen und sich als solche im Gedächtnis festsetzen liegen wohl unleugbar außerhalb der Routine. Vielleicht sind wir zu Routine verdammt und brauchen diese, um aus ihr auszubrechen, uns aus unserem Patientendasein für einen kurzen Moment zu lösen, die Zeit still stehen zu lassen und jenen sagenumwobenen Ort – das Jetzt genießen zu können.
Es wird jetzt Zeit, zu handeln!

Autopoietisch/assoziative Selbstbehandlung zum Zwecke neuer Erkentnisse

Langsam wird es mühsam, nicht in endlose Wiederholungsschleifen zu geraten und über verschiedene Themen zu reflektieren, die letztendlich darauf hinauslaufen, zu bestätigen, dass wir uns tagein, tagaus in Behandlung befinden. Und kaum in der Lage dazu sind, daraus auszubrechen, weil es eben so sein muss. Ansonsten würde das „System“, in dem wir leben, in seiner jetzigen Ausprägung nicht mehr funktionieren. Die Frage, die sich bis jetzt jedoch nicht befriedigend beantworten ließ, ist die nach dem Ursprung unseres Patientendaseins. Dass wir uns alle ständig behandeln lassen, wurde, wie bereits gesagt, bereits gesagt. Doch woher rührt diese Unterordnung und die meist unreflektiert-unbewusste Akzeptanz unseres Patienten-Status? Wir kommen ja schon als Patienten auf die Welt; völlig hilflos werden wir in eine Welt geworfen, in der wir uns vorerst nicht einmal selbst ernähren können (was bekanntlich eine Grundvoraussetzung für erfolgreiches „Am Leben bleiben“ ist). Behandelt werden wir dann sofort von weiteren Patienten – sei es die Mutter oder eine medizinische Hilfskraft, die uns behandeln, weil sie uns behandeln müssen – ob aus finanziellen, idealistischen oder konventionellen Gründen spielt dabei kaum eine Rolle. Sobald sich das, was uns mutmaßlich vom Tier unterscheidet, einigermaßen ausgeprägt hat, versuchen wir (im wahrsten Sinne des Wortes) auf eigenen Beinen zu stehen. Wir erschließen uns die Welt, die uns umgibt, Schritt für Schritt und entwickeln nebenbei eine Persönlichkeit, die uns wiederum von "den Anderen" unterscheidet. (Denken wir zumindest.) Irgendwann erfolgt dann eine etappenhafte Loslösung aus dieser ersten aller Behandlungen: Wir werden erwachsen. Wir entwachsen den elterlichen Banden und rebellieren zeitweise gegen alles, was gut für uns sein soll. Wir übertreten Regeln, um unsere Grenzen auszuloten und herauszufinden, wo wir eigentlich in diesem Universum stehen. (Oder eben: Stehen sollen. Gestanden werden? Ein gestandener Mann.) Doch während wir uns aus der elterlichen Behandlung lösen, schlittern wir völlig unbemerkt in andere Behandlungen: Schule, Liebe, Freunde, Arbeit etc. Worauf ich hinaus will? Wird sich herausstellen. Ich lasse mich momentan von Assoziationen, die im Schreibfluss entstehen behandeln und bin darauf gespannt, wie mich mein Blog (der durchaus auch Patient ist) behandelt. (Hallo Blog! Lange nichts gehört!) Ich nehme mal an, dass das Patientendasein auch damit zu tun hat, nicht zu sehr Sklave des eigenen Geistes zu sein (oder gerade doch?). Wenn wir uns behandeln lassen, nehmen wir diesem undefinierten Bereich, der sich vermutlich in unserem Kopf befindet, ein Stück Handlungsfreiheit und – machen ihm zu unserem eigenen Patienten, während wir uns selbst zum Patienten machen. Klingt komisch, aber irgendwie logisch. Apropos Logik: Die Logik ist auch so ein Oberarzt, der mit einer selbstgefälligen Verständlichkeit auf sich selbst rekurriert und uns alle zu Patienten macht, während wir uns der Illusion hingeben, ganz klar entscheiden zu können, was logisch ist. Die hängen wohl alle irgendwie zusammen, diese oberärztlichen Akteure, die doch zugleich auch Patienten sind. Verzwickte Sache, das mit der Logik. Vielleicht unterscheiden wir uns ja nur von den Tieren, weil wir uns bewusst machen können, dass wir genauso Patienten sind wie diese (triebgesteuert!). Wir werden sehen, sprach der Blinde.

Impressum

Angaben gemäß § 5 TMG:

Phillip Horch
Reichenaustr. 81 a
78467 Konstanz

Kontakt:

Telefon:

Telefax:

E-Mail:

phillip.horch@uni-konstanz.de

Verantwortlich für den Inhalt nach § 55 Abs. 2 RStV:

Phillip Horch
Reichenaustr. 81 a
78467 Konstanz

 

Quelle: Impressumgenerator, http://www.e-recht24.de

Suche

 

Status

Online seit 4189 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 26. Feb, 22:22

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren